Drei Dinge fallen, aus dem Bahnhof von Novi Sad tretend, sofort auf: Die Menschen wirken ärmer als noch in Ungarn, im Straßenverkehr, der einen sofort erfasst, geht es ähnlich aggressiv zu wie in Deutschland und es liegt ein strenger Dunst von Machismo in der Luft.
Viele Passanten auf dem Oslobodenja-Bulevar tragen, wie die deutsche Unterschicht, vorzugsweise Sportkleidung. Es handelt sich um billige Ware, Trikots und Trainingshosen verlieren offensichtlich schnell die Farbe, und lassen die Träger verwaschen und grau daherkommen.
Gleichzeitig betonen die lieblos übergestreiften Kleidungsstücke einen gnadenlosen Mut zur Hässlichkeit. Passform, Farbe, Kombination? Die Männer auf der Oslobodenja meiden jeden Anflug von Eleganz, Farbigkeit oder Spielerei.
Dabei zeigen sie durchaus Verständnis für's Detail, denn was Jacken, Hemden, Hosen bereits andeuten, setzen sie mit ihren häufig unrasierten Gesichtern fort. Die Sammlung der Stoppelbärte reicht vom Zwei- bis Zwölf-Tage-Bart, glatt rasiert gehen nur die frisch Verliebten oder frisch Verheirateten, könnte man meinen.
Ergänzt werden die Stoppeln um das Kinn von denen auf dem Kopf. Die meisten serbischen Männer lassen sich den Kopf eher rasieren als frisieren und bevorzugen militärisch misshandeltes Haar. Allenfalls ältere Männer, die schon einen weißen Schopf vorzeigen können, erlauben sich einen Scheitel. Eine Änderung scheint sich erst bei jungen Leuten um die zwanzig anzudeuten. Sie wählen hin und wieder einen Haarschnitt wie Belmondo in »Atemlos«, wenn sie nicht gleich ihrer bevorzugten Subkultur folgen und lange oder auch wirre Haare tragen.
Eine akzeptable Form von Schönheit scheint es für die Männer dann aber doch zu geben: Ein eng anliegendes Hemd, das die im Kraftraum modellierte Brust betont, und womöglich eine Tätowierung, um die muskulösen Arme noch etwas umfangreicher erscheinen zu lassen.
Es sieht so aus, als versuchten serbische Männer auf diese Weise ihre Verachtung für jeden Hauch von Eitelkeit zu betonen. Das Ideal, dem sie nachstreben, eignet sich denn auch nicht für die Fotoseiten von Klatschzeitungen, dafür blicken die Kerle zu finster und würden noch auf den Bildern ungewaschen riechen (auch wenn das in Wirklichkeit nicht zutrifft).
Der serbische Mann scheint vor allem eines zu fürchten: Den Moment, in dem er nicht absolut männlich wirkt. Also baut er dem vor mit unrasiertem Gesicht, starrem Blick, kantigem Schädel und einer Haltung, die keinen Zweifel lässt am Willen zu imponieren.
(Nachtrag: Auch wenn Belgrad den ersten Eindruck nicht ganz bestätigte und Männer dort wesentlich mehr Modebewusstsein oder gar ungehemmten Hedonismus zeigten, blieb die Tendenz wie später auch in Niš erhalten.)
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