Der Vorschlag, das Schlafzimmer schwarz zu lackieren, dürfte im Allgemeinen auf Skepsis stoßen. Das war bei Georg Muche, der als Lehrer für Weberei am Bauhaus in eines der Meisterhäuser ziehen sollte, nicht anders.
Marcel Breuer, zuständig als Architekt, trug Muche seine Idee wohl mit einigem Enthusiasmus vor, denn Muche hatte zwar Bedenken, wegen der Assoziationen an Tod und Trübsinn, gewährte seinem Kollegen aber letztlich freie Hand. Breuer versicherte ihm, das Zimmer würde ganz und gar nicht düster wirken, weil der Lack Farben und Formen reflektiere. Um es kurz zu fassen: Breuer setzte das Experiment durch und Muche verlor. Er schlief eine Nacht in dem Zimmer, mochte sich in den Spiegelungen nicht einmal selbst erkennen, und fortan diente der Raum als Rumpelkammer.
Besucher stolpern in den Meisterhäusern am laufenden Band über die Suche nach neuen Lösungen: Entworfen als Doppelhäuser, stehen sie nicht nebeneinander sondern sind ineinander geschoben; der Balkon bietet keinen gemauerten Sichtschutz, sondern schwebt als frei tragende Fläche neben dem Haus, nur mit Stahlrohren luftig abgesichert; bei den Fensterrahmen ist das übliche Holz durch Metall ersetzt.
Drinnen werden die Versuchsreihen fortgesetzt, indem die Farben nicht nur von Zimmer zu Zimmer variieren, sondern teilweise auch in den Zimmern – eine Hälfte der Decke rot, die andere weiß. Heute stehen die Räume leer, aber alte Fotos zeigen die Bewohner eingerichtet mit den eigenen Kreationen. Breuers B3, im Ikea-möblierten Leben selten anzutreffen, gehörte dabei zum Standard (Der Entwurf steht übrigens in der Dauerausstellung. Messingschrauben halten das Gestänge zusammen und der Sessel ist mit einem Stoff bespannt, der mittlerweile Fäden zieht, was die vertrackte Einfachheit der Konstruktion noch unterstreicht.)
der hang zur ästhetik macht vor nichts halt: ein von mies van der rohe unterschriebenes Zeugnis ist bis auf eine abkürzung konsequent klein geschrieben.
NB:
Der kurze Weg vom Bahnhof in die Innenstadt ließ Unerfreuliches befürchten. In dem Begrüßungskomitee aus Plattenbauten, stehen viele Läden leer. Gefüllte Schaufenster zeigen nur ein Billigheimer und ein Händler für Rentner-Scooter. Alten Glanz verbreitet das großzügig angelegte Anhaltische Theater, während nebenan Parkautomaten in der Hoffnung auf eine belebte Innenstadt stoisch leere Parkplätze bewachen. Doch bereits am Freitag nachmittag erweckt das Städtchen den Eindruck, in Sonntagsschlaf verfallen zu sein. Immerhin zeigt sich auf den zweiten Blick: viele der Plattenbauten sind mit Mustern und Farben ansehnlich renoviert, und nur einige Scheußlichkeiten erinnern mit grobem Realismus an die sozialistische Republik.
Die Innenstadt Dessaus wurde im Krieg fast völlig zerstört und so erhielt der Ort durch den Wiederaufbau zu DDR-Zeiten ein entschieden städtisches Gepräge. Nach Abwanderung und Geburtenrückgang stehen heute die leeren Straßen in einem irritierenden Gegensatz zum urbanen Eindruck. Aber nicht nur die Einheimischen lassen sich nicht blicken auch Touristen sind hier rar. Zwar sei die Stadt die einzige in Deutschland, die zweimal in der Unesco-Liste des Weltkulturerbes aufgeführt sei, mit dem Bauhaus und dem Dessau-Wörlitzer-Gartenreich – was einem Lokalpatrioten sofort auf die Nase binden –, aber trotzdem sind nur wenige Reisebusse unterwegs und aus denen steigen keine aufgeregten Japaner oder begeisterungsfähige Amerikaner sondern vorzugsweise ältere Leute auf Kaffeefahrt.
Und so bleibt es: Keine Touristen bummeln durch die Innenstadt und keine Touristen schlendern über die Wiesen zwischen den Mulden; dort kampiert nur Fahrendes Volk und aus dem Paul-Greifzu-Stadion jenseits des Flusses hallt die Stimme des Sprechers herüber, der die Eröffnung eines Leichtathletik-Meetings moderiert und vom »Stolz« der »Sportstadt Dessau« dröhnt. Hier, kaum 500m von der Innenstadt, dürfte er vor allem Biber aufschrecken, die sich in Dessau dem Vernehmen nach wieder zur Landplage entwickeln.
Immerhin zwei handvoll Interessierter haben sich am Bauhaus einer Führung angeschlossen... aber da waren wir schon.
Links
Stiftung Bauhaus
Meisterhäuser in Dessau
Zum B3 (auch Wassily-Chair): Wikipedia-Eintrag zu Marcel Breuer
3-D-Modell des Bauhauses bei Google Sketchup
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