Im Kloster zum Heiligen Georg in Pomorie reißt die Kette der Besucher nicht ab, zumal im Glockenturm eine Quelle sprudelt, die Wunder bewirken soll. Als Gast kommt man hier mit einer vollkommen fremd gewordenen Welt in Berührung.
Im 18. Jh. als Bulgarien zum Ottomanischen Reich gehörte, wohnte, der Legende nach, auf dem Gelände des heutigen Klosters ein türkischer Bey namens Selim, der, wie auch seine Tochter, seit langem krank war. Zu seinen Bediensteten gehörte ein orthodoxer Christ namens Neno, dem im Traum ein Mann auf einem Pferd erschien. Der trug ihm auf, an einer bestimmten Stelle des Anwesens von Selim Bey ein Loch zu graben. Neno fragte den Bey um Erlaubnis, aber sie wurde ihm verwehrt. Neno begann trotzdem zu graben und nach kurzer Zeit füllte sich das Loch mit Wasser. Selim wollte den Bediensteten strafen, trat dabei aber in das Loch voll Wasser und war gelähmt. Nach Fürbitten verschwand die Lähmung und an der Quelle konnte weiter gegraben werden. Dabei fand sich eine Steinplatte, die den Hl. Georg mit seinem Speer auf einem Pferd zeigt, wie er den Drachen erlegt. Daher nehmen die Gläubigen an, es sei der Hl. Georg gewesen, der Neno im Traum erschienen war. Heute hängt die Steinplatte über dem Eingang zur Klosterkirche. Der kranke Selim Bey aber und seine ebenfalls kranke Tochter wurden durch das Wasser aus der Quelle geheilt, bekannten sich daraufhin zum Christentum und bauten dort die erste Kapelle. Das Kloster jedenfalls lädt seine Besucher ein, sich mit dem Wasser der Quelle zu erfrischen.
Im Kloster selbst leben heute noch vier Mönche, die gerne Gäste im Kloster unterbringen und ihnen erklären, was es mit der Anlage auf sich hat, und die für Fragen zur christlich-orthodoxen Kirche und zum Glauben offen sind. So können orthodoxe Kirchen bis zu drei Eingänge haben, nämlich nach Norden, Westen und Süden, doch nie nach Osten, weil dort immer das Allerheiligste zu finden ist. Und wenn vor einer der Ikonen mehr als eine Kerze hängt, zeichnet das die Ikone als besonders aus, und es hat sich im Zusammenhang mit ihr womöglich ein Wunder ereignet.
»Ich sehe was, was du nicht siehst«
Bei einem Aufenthalt im Kloster stehen die Themen Religion und Glauben wohl zwangsläufig im Vordergrund, und einen Abend wurde ich eingeladen, eine DVD mit anzusehen, die ein Mönch als eine Dokumentation über den orthodoxen Glauben ankündigte. Zu sehen gab es dann aber einen amerikanischen Bericht von zweifelhafter Natur ("Unglaublich? Aber wir zeigen ihnen die Bilder") über die heiligen Schlangen von Kefalonia.
Auf der griechischen Insel erscheinen im Dorf Markopoulo angeblich jedes Jahr im August kleine Schlangen (Jungtiere), ziehen während des Festes für die Heilige Jungfrau in die Kirche und verschwinden dann für den Rest des Jahres wieder. Die zusammen gehauene Story, warum das so ist, erspare ich mir. Jedenfalls wird den Schlangen nachgesagt, sie trügen auf dem Kopf ein weißes Kreuz (oder vier weiße Punkte, die sich zu einem Kreuz verbinden lassen) und auf der Zunge ebenfalls ein Kreuzmal. Der Mönch, der die DVD mit ansah, kannte sie bereits und konnte verschiedene Passagen mitsprechen. Er hatte vorab auch von den Schlangen mit den Kreuzen berichtet, und sogar davon gesprochen, die Tiere hätten keine gespaltene sondern eine gekreuzte Zunge. Um so erstaunlicher war es, im Film kein einziges Tier mit einem Kreuz zu sehen, weder auf dem Kopf noch auf der Zunge. Auch das erneute Abspielen einzelner Passagen durch die anderen Zuschauer brachte nichts dergleichen auf den Bildschirm.
Nun gehört in der Kindererziehung, »Du sollst nicht glauben, was im Fernsehen läuft«, heute zum Standard. Aber die Bilder lieferten noch nicht einmal das Angekündigte. Trotzdem reichten die Aussagen in den Interviews mit den Pilgern, die die geplagten Tiere noch von Hand zu Hand weiter gaben, dem Mönch aus, die Markierung als Tatsache anzusehen. Und darüber hinaus hatte das Missverständnis (vielleicht geboren aus begrenzten Englischkenntnissen), das Mal auf der Zunge als eine gekreuzte Zunge zu verstehen, ebenfalls Wurzeln geschlagen.
Bei einer solchen Weltsicht lassen sich noch nicht einmal mehr Fragen stellen.
PS: Das Kloster in Pomorie ist reizend, den Ort sollte man meiden.
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