Todesküste (Costa de la Muerte) klingt, im Vergleich zu den Namen, die die Spanier anderen Küsten geben – Costa Verde (grüne Küste in Asturien), Costa Blanca (weiße Küste bei Alicante), Costa de la Luz (Lichtküste bei Cádiz) – dramatisch. Doch das Drama dauert bis heute an.
Es ist nicht weit: nur etwa 70 bis 80 Autokilometer liegen zwischen Malpica, dem Ort, wo rund 40 Kilometer westlich von A Coruña die Todesküste beginnt und dem Kap Finisterre, wo die Welt und auch die Küste ein Ende hat (finis terrae). Da nach altertümlicher Vorstellung auf das Ende nur noch das Jenseits folgen konnte, bringen Manche den Namen der Küste mit der ehemaligen Nähe zum Totenreich in Verbindung.
Doch der schmale Küstenstrich, der quasi den Eingang zur Biskaya bildet, war und ist verrufen – zumindest unter Seeleuten. Stürme, schwer einzuschätzende Strömungen und vorgelagerte Klippen sorgen seit alters her für Havarien. So sanken 1596 25 Schiffe der spanischen Kriegsflotte in einem Sturm vor Corcubión und 1700 Seeleute und Soldaten ertranken. Und trotz Wettervorhersage und modernerer Technik an Bord bleiben die Schiffe gefährdet. Im letzten großen Unglück vor der galicischen Küste geriet 2002 der Öltanker Prestige, beladen mit 77.000 Tonnen Schweröl, in einen Sturm. Zwei seiner Tanks barsten, Öl leckte heraus und die spanischen Behörden verweigerten dem Schiff daraufhin die Einfahrt in einen Hafen, um die Küste zu schützen. Sechs Tage später zerbrach das Schiff etwa 250 Kilometer weit draußen, vier Fünftel des Öls liefen aus und verpesteten die Küste. Schuld an dem Unglück soll ein Kaventsmann, eine Riesenwelle, gewesen sein.
Zu dem schlechten Ruf der Küste trugen lange Zeit auch die Bewohner bei, die versuchten, ihr karges Leben als Strandpiraten aufzubessern. In stürmischen Nächten banden sie ihren Rindern Laternen an die Hörner und trieben sie über das Kliff. Für die Schiffe, die unter Land Zuflucht vor dem Sturm suchten, sah das aus wie die Beleuchtung eines weiteren Bootes, das näher an der Küste in den Wellen schaukelte. Orientierte sich das Schiff an den gaukelnden Lichtern, lief es auf den Klippen auf; die Strandpiraten erschlugen die Überlebenden und plünderten das Schiff.
Es müssen keine Katastrophen oder Verbrechen sein, die den Namen bestätigen. In der Zeit hier berichteten die Zeitungen von zwei Tauchern, die mit ihrem Boot kenterten, zwei Fischer ertranken und ein Toter wurde an Land gespült. Der letzte Vorfall ereignete sich im Mai, als eine Frau an der Punta Herminia ins Wasser ging. Eine zweite versuchte, sie zu retten. Am Ende war es die Küstenwache, die beide aus dem Wasser ziehen musste. Die zwei hatten wahrscheinlich Glück, dass sie an der kleinen Landzunge ins Wasser stiegen, die zum Skulpturenpark neben dem Leuchtturm gehört, da dort fast immer Spaziergänger unterwegs sind.
Mittelbar zeigt sich die raue Küste auch auf dem Markt oder in den Restaurants im Preis einer hiesigen Spezialität, den Percebes oder Entenmuscheln. Derzeit liegt der Kilo-Preis zwischen 70 und 90 Euro. Zu den Festtagen mit den Familienfeiern an Weihnachten und Sylvester im letzten Jahr kletterten die Marktpreise auf 150 bis über 200 Euro für ein Kilo. Der Preis kommt zustande, weil die Krebstiere sich auf den Felsen festsetzen, die in der Brandung liegen. Schon das Fotografieren gerät zu einer feuchten Angelegenheit, aber wer die Tiere ernten will, muss sich in die schwer einzuschätzenden, mitunter wuchtigen Wellen begeben und einigen Aufwand treiben, um sie überhaupt vom Felsen zu lösen. Entenmuscheln heißen sie, weil man früher wegen der Farbe meinte, aus den Percebes entwickelten sich die Nonnengänse. Auf dem Weg nach Norden wurde aus der Gans (der englische Name lautet goose barnacle) noch eine Ente. Die Tiere gibt es auch als Importware aus Kanada, aber mir wurde schon versichert, die schmeckten längst nicht so gut wie die heimischen.
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