Die Häuser in der Altstadt von Plovdiv recken sich drei Stockwerke in die Höhe, aber kaum über die Straße, wo im schmaler werdenden Band des Schattens entlang der Hauswand die Fußgänger einen Tanz beginnen, der das Schwinden doch nicht aufhält.
Entlang der Mauern drücken sich die Lichtscheuen in den Schatten, doch jeder Entgegenkommende zwingt sie wieder auf die Straße, aufs verkantete Pflaster und in die stechende Sonne. Auch den glänzenden Flecken im dunklen Streifen, da wo das Kondenswasser der Klimaanlagen heruntertropft, weichen sie mit einem Schritt auf die sich breit machende Sonnenseite aus. Sie schlängeln sich aneinander vorbei und hadern mit dem Hindernis, das sie in die Hitze drängt.
An einem der Trinkbrunnen machen sie Halt und warten, bis die Reihe an sie kommt, sich die schweißigen Hände zu waschen, in langen Zügen den Durst zu stillen oder sich mit nassen Fingern durch die Haare zu fahren. bevor sie ihren Tanz über den bescheidenen Streifen im Schutz der Häuser fortsetzen.
Auf das Amphitheater, das ehemals 7000 Zuschauer fasste, prallt ungehemmt die Sonne und nicht einmal Touristen krabbeln darin herum, um sich gegenseitig abzulichten. Statt dessen sitzen sie im Café, regen sich so wenig wie möglich nach dem letzten Schweißausbruch und kühlen sich die Stirn mit ihrem Glas, von dem das Wasser tropft. Etwas weiter gleißen noch mehr antike Trümmer; die ganze Altstadt steht auf den Überresten älterer Bauten, die seit den Zeiten der Thraker nachgewiesen sind. Wo heute am Eingang zur Fußgängerzone die Moschee steht, begann zu römischer Zeit, im damaligen Trimontium, die Arena für 30.000 Schaulustige. Pläne die Arena wieder ans Licht zu holen – sie auszugraben und einen Glasboden darüber zu legen – gibt es, aber bislang bleiben sie in der Schublade.
Auch am oberen Ende des Hügels, auf dem die alte thrakische Festung gelegen hat und sich der Blick über die Stadt öffnet, hält der Wind Ruhe. Nur die Grillen genießen die Wärme und bejubeln sie mit endlosem schrillen Schaben. Ein Pärchen posiert vor der Aussicht, für die Kamera eng aneinandergedrückt; sich noch gegenseitig wärmend, werden sie das Bild mit Schweißperlen bezahlen müssen.
Im Park, wo die Bäume eng beieinander stehen, und alle Bänke unter die ausladenden Äste gerückt sind, weckt ein Brunnen mit müden Fontänen die Illusion von Kühle. Doch die finden wohl nur die Kleinkinder, die, rückhaltlos erfreut, sich gegenseitig mit Wasser bespritzen. Weg vom Kindergeschrei bildet ein Rondeel das Zentrum des Parks und hier haben sich laut diskutierende Gruppen gebildet. Sie stehen um die Tische der Schachspieler und fachsimpeln. Mitunter tippt auch einer mit dem Finger auf das Brett, um die Bedeutung eines Feldes zu unterstreichen. Doch am zweiten Tisch helfen die Ratschläge nicht mehr, Weiß muss den Angriff abbrechen, sich zurückziehen und als Schwarz mit dem Turm nachdrängt, bleibt Weiß nur noch, dem Gegner zu gratulieren. Als sich Weiß erhebt, gekleidet wie ein Leichtathlet, klebt das Trikot am Rücken und das Gesicht ist mit einem Schweißfilm überzogen.
Eine Gruppe junger Roma – zwei Jungs, drei Mädchen, alle unter zwanzig – sieht einen Eis Löffelnden im Schatten bummeln und sofort stoßen sie eines der Mädchen an, das heranschnürt und unter klagenden Tönen aufs Eis deutet, die Geste des Essens macht und die Hand aufhält. Während sie gestikulierend und jammernd auch noch bis zur nächsten Straßenecke neben dem Essenden herläuft, umspringt die beiden ein zweites Mädchen aus der Gruppe. Sie zieht einen Halbkreis um den Fremden und ihre Freundin, schlägt dabei ständig mit einem dünnen Stock auf den Boden, und sieht sie forschend aus blauen Augen an. Sie scheint eine Beschwörung aufzuführen, so als probiere sie eine magische Formel aus, die den Griff zum Portemonnaie auslösen soll, oder so als ziele sie darauf ab, den Aberglauben des Fremden zu wecken. der ihn bewegt, sich frei zu kaufen.
Im Café an der Maritsa enttäuscht der Fluss die Hoffnung auf eine Brise und etwas Kühle. Nur hin und wieder geht ein Zucken durch die Blätter an den Ranken, wenn ein Luftzug sie anhaucht, aber er vergeht, bevor er die Gäste erreicht. Wir leiden still, versuchen den Durst mit kaltem Ayran zu mildern und freuen uns über das Geklingel der Eiswürfel im Glas. Unterdessen wandert die Sonne, findet die Lücken zwischen Ranken und Sonnenschirm, erhitzt unerwartet den Nacken und brennt auf den Händen. Die Stuhlbeine knarren über die Fliesen, während wir versuchen, mit schräg gelegtem Kopf und verkniffenen Augen uns an den blendenden Flecken zu orientieren und wieder vollständig in den Schatten zu rücken. Dann atmet die Hitze doch einmal aus und unter dem Zittern der gefiederten Blätter tanzt für einen Moment Lichtstaub über die Gesichter und verschleiert die Konturen.
Verdeckt von Schirm und Grün hat sich eine fahle Wolkendecke zusammengezogen, hinter der sich die Sonne zurückzieht. um die Stadt in milchiges Licht zu tauchen. Dem ersten Windstoß folgen weitere, raffen Laub, Staub und Papier zusammen, treiben die Fahne aus Dreck kurz vor sich her und überlassen sie dem nächsten Stoß. In der Stadt nehmen nicht nur die fliegenden Händler das Getändel ernst und packen die Bilder, die Souvenirs und die Sonnenbrillen zusammen, auch die Läden räumen ihre Auslagen vom Trottoir, und in den Cafés sammeln sie die Polster von den Stühlen. In zähen Abständen fallen erste dicke Tropfen und zerplatzen auf dem Asphalt. Dann steht die Luft wieder und der Regen bleibt aus, nur von Ferne ist ein Grummeln zu hören. Unter dem verhangenen Himmel hat der Tanz ein Ende gefunden, doch die zurück bleibende Schwüle bremst den Schritt und nur Fuß um Fuß geht es den Hang wieder hinauf.
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